Wir trauern um Heinz Hillebrand

Die LAG Betrieb & Gewerkschaft trauert um Heinz Hillebrand. Mit großer Bestürzung haben wir vom Tod unseres Genossen Heinz Hillebrand erfahren. Heinz war ein Kollege. Klug und belesen.

Bereit, sich im Widerspruch mit den gesellschaftlichen Entwicklungen seiner Zeit auseinanderzusetzen. Seine große Stärke war seine politische Umsicht im Streit. Nie von oben herab, nie verletzend im persönlichen Umgang. Dafür immer klar und hart in der Sache.

Als Kind des Ruhrgebiets stand der Wuppertaler mit seiner Biografie für die Aufstiegschancen der 70er und 80er Jahre. Die proletarische Resilienz brachte er von Zuhause mit. Die intellektuelle Feinsinnigkeit legte er sich – wie so viele seiner Generation – auf dem zweiten Bildungsweg zu. Beides zusammen schuf eine ihm eigene politische Sensibilität für Themen, Stimmungen und Menschen. Manche sagen über ihn, er sei ein proletarischer Intellektueller gewesen. Und ja, das war er. Einer, dem Bildung nicht zur Befriedigung der eigenen Eitelkeit diente. Er sah den Wert von Bildung vielmehr darin, die Welt zu verstehen, um sie verändern.

Er tat dies, weil er um die Mühe wusste, die mit der Aneignung von Wissen vor allem für diejenigen verbunden war, die ohne Bücher aufwachsen mussten. So habe es in seinem Elternhaus kein einziges Buch gegeben, ließ er häufig verlauten. Genau deshalb aber kannte er auch den Stolz des selbstangeigneten Erkenntnisgewinns. Mit diesem Habitus prägte er als langjähriger Leiter der Abteilung Politische Bildung die Bildungsarbeit der Partei maßgeblich. Er gab sein Wissen bereitwillig weiter und war damit vor allem vielen jüngeren Genossinnen und Genossen oft ein wichtiger Gesprächspartner, manchmal politischer Ratgeber und häufig Vorbild.

Wir haben Heinz aber auch als jemanden erlebt, der vor allem in den letzten Monaten in großer Sorge um die Zukunft der Partei war. Als Mitbegründer der WASG war er einer der Wegbereiter für die nicht ganz einfache Fusion zwischen WASG und PDS zu einer neuen, gesamtdeutschen LINKEN – überzeugt von der Notwendigkeit, dass es eine politische Partei links von SPD und Grünen braucht. Diese Überzeugung blieb bis zuletzt. Die Skepsis aber, ob DIE LINKE diese Rolle noch auszufüllen in der Lage war, war gewachsen.

Und vielleicht beschreibt es die Krise der Partei ganz treffend, dass jemand wie er, der über so viele Jahre als Bundessprecher der Sozialistischen Linken an der marxistischen Profilierung der Partei mitgewirkt hatte, der sich durch seine politische Besonnenheit als Brückenbauer in den verschiedenen Lagern der Partei Anerkennung erworben hatte, zunehmend ratloser wurde angesichts des politischen Interregnums seiner, unserer Partei: Das Alte, das angesichts tiefer gesellschaftlicher Widersprüche unmöglich so weiterbestehen kann und das Neue, das sich schwer tut, auf die Welt zu kommen.

Als Sozialist stand für ihn außer Frage, dass man sich gerade in diesen Zeiten parteipolitisch organisieren muss – als Bekenntnis, vor allem aber als Ankerpunkt, um im zunehmend autoritärer werdenden Kapitalismus nicht hinweggefegt zu werden. Aber zweifelnd fragte er auch, ob DIE LINKE noch der Ort sei, an dem kritische Marxisten mit ihrer Wut über die aktuellen Verhältnisse, mit ihrer Leidenschaft für Veränderung, vor allem aber mit ihrer Vorliebe für einen politischen Streit auf Augenhöhe einen selbstverständlichen Platz haben.

Heinz war ein Kind der Arbeiterbewegung, der die Geschichte seiner Klasse mit all ihren Erfolgen und Niederlagen studiert hatte. Er war Gewerkschafter, der um das dialektische Verhältnis von Einheit und Klarheit als Voraussetzung für politische Handlungsfähigkeit wusste. Mit ihm verliert DIE LINKE einen ihrer klügsten, einen ihrer kritischsten, einen ihrer besonnensten Köpfe – und das in der größten Krise der Partei. Sein Andenken bewahren bedeutet daher, sich dessen bewusst zu sein, was verspielt wird, wenn das historische Parteiprojekt DIE LINKE scheitert. Sein Andenken bewahren bedeutet, vielleicht einmal mehr um Einheit und Klarheit zu ringen, als es leichtfertig zum politischen Bruch kommen zu lassen.

Politische Gefährten auf dem Weg in eine bessere, gerechtere Welt zu verlieren, ist schmerzlich. Das zeigt der unverhoffte Tod von Heinz Hillebrand ein weiteres Mal. Aber es gehört zu diesem Weg dazu. Und manchmal kann es Mahnung sein, ein gemeinsames politisches Projekt nicht leichtfertig herzugeben, sondern um dessen Erhalt zu ringen – mit Empathie, mit ganzer Kraft, in respektvollem Gedenken.